35. Jahrgang | Jahr 2009 | Heft 1
zurückAufsatz: Seite 43–59
Auch in Deutschland haben unternehmerisch charakterisierte Projekte, die Mittel jenseits der vom Erfinder kontrollierten Ressourcen benötigen, eine lange Tradition in der Finanzierung von Innovationen. Dies zeigt das Beispiel der „Projektfinanzierung“ der lateinischen Bibel mit 42 Zeilen von Johannes Gutenberg (siehe Abbildung 1). Gutenberg ließ sich 1436 in Straßburg eine Presse anfertigen. Darauf folgte eine mehrjährige Phase umsatzschwacher Innovationsaktivität, die nicht ausschließlich auf die Produktion der Bibel zulief, sondern auch zahlreiche handwerklich-technische Abzweigungen erprobte. Dies dürfte mit vielen heutigen finanzierungsbedürftigen Innovationsprojekten vergleichbar sein – nur dass die Innovationsphase zu jener Zeit deutlich länger andauerte als heute akzeptabel. Auf die zunächst aus eigenen Mitteln, über eine Finanzierungsgesellschaft mit mehreren Teilhabern und ein Darlehen seines Vetters finanzierte frühe Innovationsphase folgte 1449 eine Kreditfinanzierung durch den Bankier Johannes Fust in Mainz. Es soll sich um einen Kredit über 800 Gulden für die Anschaffung von Druckereigerätschaften gehandelt haben. Der Kreditbetrag war erheblich, wenn man ihn mit dem damals üblichen Preis eines Bürgerhauses von rund 500 Gulden vergleicht. Über die Verzinsung werden unterschiedliche Angaben gemacht – vermutlich war ein Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr vereinbart. 1452 warb Gutenberg für die 1453 beginnende Produktion der Bibeln eine weitere Finanzierung von Johannes Fust über 800 Gulden ein. Nach moderner Interpretation wurde später die Zuordnung dieses Betrages als Eigen- oder Fremdkapital strittig: War Fust ein gesicherter Kreditgeber oder ein doch am Eigenkapital beteiligter Mitunternehmer? Gutenberg hielt die Finanzierung – ob zutreffend oder nicht – wohl für Eigenkapital. Auf Basis der notariellen Feststellung, dass beide Finanzierungstranchen Darlehenscharakter haben, erwirkte Fust 1455 kurz vor Fertigstellung der Bibeln die Zwangsvollstreckung, übernahm die Druckwerkstatt Gutenbergs, vollendete die begonnene Produktion der Bibeln und veräußerte diese. Nach dem damaligen „Geschäftsmodell“ wurden die mit den Bibeln erzielten Umsätze 1456 größtenteils zur Zahlung fällig, also ein Jahr nach ihrer Auslieferung. Gutenberg wurde 1458 insolvent. Hätte es sich um eine Eigenkapitalfinanzierung gehandelt, hätten Gutenberg und Fust das Projekt wohl als Gesellschafter gemeinsam vollendet. [...]